Man nehme: 20kg Beef, eine Handvoll betrunkener Väter und laute Musik – schon hat man eine perfekte Fiesta. Letztes Wochenende war ich auf meiner ersten Fiesta. Ich würde fast behaupten, es war eines meiner besten Wochenenden hier. Voll von Kopfschütteln, amüsiertem Lachen und sehr, sehr viel Essen!
Fiesta ist einmal im Jahr in jedem Barangay. Die Leute heben sich ihre kostbaren Urlaubstage extra für diese Veranstaltung auf, da sie bereits zwei Tage vor der eigentlichen Fiesta mit den Vorbereitungen beginnen und sehr, sehr viel kochen müssen. Das kann man noch nicht einmal mit den Mengen an Weihnachtsessen vergleichen, die meine Mutter die letzten Jahre immer viel zu viel gekocht hat.
Es gibt Reis. Natürlich. Locker 10kg werden an solchen Wochenenden verkocht und wahrscheinlich noch nicht einmal verzehrt. Es gibt Estofado, ein Bananen‑, Pork- und Buko-Gemisch – hört sich ein wenig merkwürdig an schmeckt aber sehr gut. Natürlich darf auch Balenciana nicht fehlen. Balenciana ist mittlerweile eines meiner Lieblingsessen: Sticky Rice mit rotem Hot Dog, Pork und ganz viel verschmolzenem Gemüse. Es ist wirklich so klebrig wie es aussieht 😊 Ansonsten gibt es noch tausende weitere Gerichte, die ich kaum alle aufzählen kann.
Die Häuser werden aufs sauberste herausgeputzt und alle Türen stehen offen, sodass jeder aus der Nachbarschaft eingeladen ist, vorbeizukommen und etwas zu essen. Es werden angeregte Gespräche geführt und kleine Grüppchen gehen von Haus zu Haus. Jeder bedient sich einfach, geht rein und wieder raus. Ein etwas merkwürdiges Verhalten wie ich zu Anfang dachte, aber so haben alle Leute mal die Gelegenheit sich mit der Nachbarschaft auszutauschen. Wie viel unnötiges Geld für eine Fiesta aus dem Fenster geschmissen wird, will ich dabei nicht beurteilen. Erschreckend durfte ich auch feststellen, dass jedes Haus dasselbe Essen anbietet – nur die Nachspeisen waren immer mal wieder andere.
Links in der kleinen Schüssel ist Estofado. Rechts der gelbliche Reis ist Balenciana und die bunten Kugeln sind Puto Cheese, eine Art Reis-Nachttisch.
Frühstück auf Philippinisch. Ja, Cola, Reis und Fleisch. Eines der wenigen Male, wo ich mich zu Reis zum Frühstück überreden habe lassen.
Annelie, eine Kollegin aus Asilo, hatte mich zu sich nach Hause zu diesem besonderen Fest eingeladen. Also bin ich am Samstagmorgen gegen 10 Uhr mit ihrer kleinen Schwester – die komischerweise auch Annelie hieß – nach Maasyn losgefahren.
Schon während der Fahrt wurde mir klar, dass die Kommunikation zu einem Problem werden könnte. Da Maasyn 1 1/2h außerhalb von Iloilo liegt, ist Englisch dort nicht allzu stark verbreitet. Also sahen meine ersten Stunden sehr mühselig aus. Ich konnte keinerlei Gespräch anfangen und saß nur blöd rum. Irgendwann kamen dann die kleinen Brüder und Cousins von Analyn und wir haben versucht ohne Worte zu kommunizieren. Es war recht witzig! Mal wieder wurde ich zum Mittelpunkt von allem gemacht, alle guckten mich an, fragten Analyn irgendwas und machten ein komisches Gesicht. Dinge die ich eigentlich schon gewohnt sein sollte, trotzdem lösen sie immer wieder Unbehagen bei mir aus.
Laute Bässe, Kinder, die herumspringen und tanzen wie hyperaktive Affen – wie man sieht, fünf Cola waren dann doch zu viel – und um 9 Uhr abends plötzlich Stille, die Bässe und das Licht gehen schlagartig aus. BURNOUT. 2 Sekunden weiß keiner was passiert ist und dann geht ein Aufstöhnen durch das kleine Haus. Doch anstatt die begonnenen Gespräche fortzusetzen, wird geschwiegen, maximal geflüstert. Als hätte jeder Angst vor der Dunkelheit. Dann springt Analyn auf, geht in die Küche und kommt mit ihrem taumelnden betrunkenen Vater ins Wohnzimmer. Sie versucht ihn in sein Schlafzimmer zu zerren. Ich habe ihn überhaupt nicht trinken sehen. Entweder ist seine Hemmschwelle sehr gering oder er hat sich wirklich hartes Zeug reingehauen. Alle Kinder rennen den beiden hinterher und gucken mit großen, aufgerissenen Augen das sich abspielende Schauspiel an. Alle anderen lachen nur und finden es tierisch witzig, dass der Mann so unzurechnungsfähig ist.
Dann abends gegen 10 Uhr ging es los zum Sportplatz weiter unten im Dorf. Die Familie des Freundes von Annelie wollte uns nicht allein gehen lassen, also hat uns eine der Schwiegertöchter begleitet. Allgemein war diese Familie das Herzlichste was ich hier seit einigen Monaten erlebt habe. Sie waren wirklich interessiert an mir und haben mir aufmerksam zugehört. Ich habe mich bei ihnen ernst genommen gefühlt und ihre Freundlichkeit war ausnahmsweise einmal echt. Bei jedem Abschied haben sie mich wieder neu eingeladen vorbeizukommen. So wie ich das grade schreibe, hört es sich an, als hätte ich Monate in dem kleinen Dorf verbracht. Es fühlte sich auch fast so an. Die Zeit ist einfach stehen geblieben und ich habe es sehr genossen.
Ich war ziemlich froh, im Nachhinein, dass die Schwiegertochter uns zum Sportplatz begleitet hatte, da doch sehr viele betrunkene Männer unterwegs waren. Ich weiß nicht, ob sie Analyn auch begleitet hätte, wäre ich nicht dabei gewesen. Sie haben sich sehr viel Mühe gegeben „mich zu beschützen“. Generell habe ich damit ja eher ein Problem, aber bei diesem Abend war ich wirklich, wirklich froh so viele Menschen um mich zu haben, die mir helfen würden, wenn es gefährlich werden sollte. Die Schwiegertochter hat immer sofort eingegriffen, wenn ein betrunkener Mann nach einem „Hindi ako masaot“ (Nein, ich möchte nicht tanzen) nicht abgezogen ist. Bis 12 Uhr nachts haben wir uns das ganze Spektakel auf dem kleinen Sportplatz angeguckt und haben sehr amüsiert den tanzenden Menschen zugeschaut. Keiner hat sich geschämt oder so, jeder war ausgelassen und tanzte als gäbe es kein Morgen.
Love Dance gehört natürlich auch dazu. Früher wurde dieser Tanz zum Verkuppeln genutzt, heute ist es nur noch aus Spaß romantisches Tanzen. Der kleine Junge rechts im Bild war an diesem Wochenende mein treuester Begleiter 😊
Auch die coolen Kids tanzen. Ich würde fast sagen, dass sie die besten Tanzmoves draufhatten.
An einem Ort leben, wo man sein Wasser erstmal mit dem Motorrad fünf Minuten nach oben in die „Berge“ fahren muss. Ein Ort, wo man an gefährlichen Klippen seine Bambus Häuser baut. Kein Empfang, kein Internet, komplett abgeschottet von der Welt. Und ich liebte es an diesem Ort.
Abgesehen von der lauten betrunkenen Fiesta-Stimmung ist dieser Fleck Erde einer der schönsten Orte. Ich kann wirklich sagen: ICH HABE MICH VERLIEBT. Es war so idyllisch und schön nachts mal wieder die Sterne zu sehen, weil weit und breit einfach alles schwarz ist und keine Straßenlaternen die ganze Nacht leuchten.
Zum Abschied wollten sie mir dann NATÜRLICH noch „Reiseproviant“ andrehen, ich konnte sie zum Glück davon abbringen, aber zwei Bukos wollten sie mir dann wirklich noch mitgeben. Ich bin mir sicher, jede hat gefühlt 5kg gewogen 😊.

Das Öffnen zwei Tage später wurde auch ein großer Spaß. Eine Stunde hat es gedauert bis ich verstanden habe, dass nach der grünen Schale erst die eigentliche Kokosnuss kommt. Dann macht es plötzlich laut „plop“ und die Hälfte des kostbaren Saftes spritzt mir ins Gesicht. Ich habe so laut aufgelacht wie schon lange nicht mehr. Ich muss wohl gestehen: Ich war prächtig stolz auf mich, dass ich meine erste eigene Buko geöffnet habe!
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