Da ich schon in einem meiner letzten Beiträge über das Leben von Analyn und ihrer Familie geschrieben hatte, habe ich mir überlegt sie zu interviewen, um euch noch mehr Einblicke in ein philippinisches Leben geben zu können.
Analyn ist 22 Jahre alt und hat sieben Geschwister – zwei Schwestern und fünf Brüder. Sie ist die Älteste. Eine ihrer Schwestern heißt übrigens auch Analyn und hat am selben Tag wie ihre große Schwester Geburtstag, nur in einem anderen Jahr.
Von ihren Hobbys, Singen und Tanzen, durfte ich selbst schon Zeugin werden. Sie hat wirklich eine überdurchschnittlich gute philippinische Stimme. Man bekommt sofort Gänsehaut, wenn sie ihre Lieder singt.
Wie ich schon in dem anderen Beitrag, „It´s Fiesta Time“, erzählt habe, lebt ihre Familie in dem Barangay Abay, im Ort Maasin, welcher zu Iloilo gehört. Von Iloilo muss man drei verschiedene Jeepneys nehmen und ein Motorrad, um zu ihrem Haus zu kommen. Der ganze Trip dauert ca. 1,5 Stunden. Sie fährt jeden Monat für 2–4 Tage in ihre Heimat, ansonsten ist sie Tag und Nacht in Asilo. Generell sind einige Infos über Asilo bei dem Interview herausgekommen, die ich so nicht erwartet hätte…
Und zwar verdient Analyn im Monat 10.000 Peso (ca. 166 Euro). Es fällt schnell auf, dass zum Beispiel die deutschen Krankenschwestern deutlich mehr verdienen, aber es kommt noch dicker. Da sie eine private Krankenpflegerin ist, muss sie 24 Stunden am Tag arbeiten und hat nur vier Tage „Off“, also sowas wie Wochenende. Bei der Frage, ob 10.000 Peso in diesem Job viel oder wenig sind, sagte sie mir, dass eine Freundin, die im Krankenhaus normal acht Stunden am Tag arbeite und zwei Tage die Woche frei hätte, auch 10.000 Peso verdiene. Jetzt kann sich jeder denken, wie unfair ich das finde. Immerhin hat Analyn nie wirklich frei, selbst an ihren vier freien Tagen muss sie immer auf Abruf bereit stehen, falls ihr Ersatz mal Probleme bekommt.
Eine weitere Tatsache, die mich sehr geschockt hat, war, dass Analyn mehr Geld bekommt als die anderen Pflegerinnen. Dies liegt daran, dass ihre Lola eine sehr „schwere“ und „kräftige“ Patientin ist. Andere Kollegen bekommen gerade einmal 8.000 Peso (ca. 133 Euro). Von diesem Geld werden übrigens noch die freien Tage abgezogen, das heißt: Immer, wenn Analyn ihre Familie besuchen will und sie frei braucht, muss sie einen Ersatz suchen und diese Person muss ja auch irgendwie bezahlt werden. Also werden für vier Tage frei nochmal 1.460 Peso (ca. 24 Euro) von ihrem Gehalt abgezogen. Nun könnt ihr euch selbst ein Urteil über diese Situation machen. Ich konnte meinen weit aufgerissenen Mund nicht mehr schließen, als ich das hörte.
Und weil das noch nicht krass genug war, kommt jetzt noch der Höhepunkt. Da ihre Eltern nicht allzu viel mit ihrem Bambusverkauf verdienen, ist ihre Mutter auf Analyns finanzielle Unterstützung angewiesen. Immerhin sind da noch sieben weitere Geschwister und da Analyn nun mal die Älteste ist und „am meisten“ verdient, werden dann nochmal 4.000 Peso (ca. 66 Euro) pro Monat an die Mutter überwiesen. Ihre kleinere Schwester arbeitet neben der Schule übrigens auch in Asilo. Darüber könnte ich auch nochmal einen sehr erschütternden Beitrag verfassen. Natürlich müssen die Schulkosten auch irgendwie abgedeckt werden, also zahlt Analyn auch noch 1.500 Peso (ca. 25 Euro) im Monat für die Schulgebühren und die Uniform ihrer Schwester.
Das heißt also, dass Analyn jeden Monat rund 624 Stunden arbeitet und am Ende nur 3.040 Peso (ca. 50 Euro) für sich selbst zur Verfügung hat, wenn es nicht gerade noch Schulden vom vorigen Monat zu tilgen gibt.
Trotz all dieser Dinge, die Analyn im Grunde NUR für ihre Familie tut, erzählte sie mir, dass ihre Familie keinen allzu großen Stellenwert in ihrem Leben einnimmt. Sie tue das Ganze nur aus Pflichtbewusstsein, aber nicht aus Liebe. Und jetzt gucken wir uns mal eine deutsche Familie an – wie viele junge Menschen würden sich so für ihre Familie abarbeiten und ohne ein einziges böses Widerwort mehr als die Hälfte ihres hart zusammen gearbeiteten Gehaltes einfach so ihrer Familie überlassen?