Eine der Sachen, die mir auf der Bildungsmesse versprochen wurden, als ich mich für das Studium in Horsens entschieden habe, war die praktische Ausrichtung des Studiums. Das war sogar einer der entscheidenden Faktoren, weswegen ich mich immer auf diese Aktivitäten gefreut habe. Nach nun mehreren Monaten in Dänemark habe ich von dieser praktischen Ausrichtung leider nicht allzu viel mitbekommen. Es wurden zwar verschiedene Exkursionen im Laufe des ersten Semesters geplant, ein paar davon sind aber ins Wasser gefallen und die, die tatsächlich stattgefunden haben, waren Firmenbesuche, wo wir den halben Tag in einem Meetingraum saßen und einer Präsentation des Unternehmens gefolgt sind. Nach fast einem Jahr wurde das alles aber endlich ein wenig interessanter. Mit dem Geologie-Kurs sind wir die dänische Küste heruntergefahren und haben uns verschiedene Steilklippen angeguckt, um die verschiedenen geologischen Schichten zu analysieren und diese auf ihre Stabilität und Zusammensetzung zu testen.

Danach fingen auch verschiedene passende Workshops in der Uni an, welche begleitend zu den Kursen liefen. Passend zu Kursen wie z.B. Gebäudeversorgung, hatten wir kurze Klempner- und Schweißer-Kurse, bei denen wir Abwassersysteme an einer Wand verlegen mussten oder Rohre Verschweißen durften.
Ein Stadtteil nach unseren Vorstellungen
Eine zweite Sache, die uns vor Beginn des Studiums versprochen wurde, war, dass man während des kompletten Studiums an Projekten aus dem richtigen Leben arbeiten kann und so gut auf das spätere Berufsleben vorbereitet wird. Während wir im ersten Semester noch ein Design für ein Gebäude frei erfinden durften, wurde uns im zweiten Semester ein etwa 3km2 großes Stück Land außerhalb Horsens zugeteilt, auf dem wir die Infrastruktur einer neuen Wohnsiedlung entwerfen sollten. Das Interessante hier war, dass wir das Stück Land besuchen konnten und mithilfe von eigens genommenen Bodenproben dieselben Schritte durchlaufen sind, die auch eine Firma machen würde, wenn sie dieses Projekt erhalten hätte. Im Geologie-Labor haben wir diese Proben analysiert und darauf basierend unsere Straßenfundamente ausgewählt. Das Projekt hat sich sehr real angefühlt und hat mir unheimlich Spaß gemacht.

Da es so viele praktische Aspekte in diesem Studium gibt, bekommt theoretische Arbeit automatisch einen deutlich kleineren Anteil. Das lässt sich besonders in den Prüfungen sehen. Freunde von mir, die dasselbe z.B. in Frankreich studieren, wo das komplette Studium deutlich altmodischer aufgebaut ist, haben andere Erfahrungen mit den Projekten und Prüfungen gehabt. Wenn in Horsens z.B. die Prüfung für eines der schwersten Fächer wie Statik ansteht, geht es vor allem darum, das Konzept der Rechnungen zu verstehen und es gut erklären zu können. Wo in Frankreich vier Stunden lang in kompletter Stille mit einem Stift und Taschenrechner Aufgaben auf Papier gelöst werden, hat man in Dänemark eher einen 15-minütigen Dialog über Dinge, die man im Semester gelernt haben sollte und anhand daran, wie man diese Dinge versteht, erhält man seine Note.